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Wege durch die Dunkelheit

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Overhaul:
Vor einigen Tagen, früh am Morgen in Jobe ...

Es war ein malerischer Morgen. Die kühle Luft zog durch das angelehnte Fenster von Daguls Appartment und trug leise Gesprächsfetzen zu ihm herein. Draussen wurde bereits eifrig gearbeitet. Der junge Metaphysiker hatte am Abend zuvor lange gefeiert und danach noch gearbeitet, darum gönnte er sich nun ein geruhsames Frühstück. Der Tee vor ihm dampfte und duftete, versprach Energie für einen neuen Tag.

Mit einem leisen Grummeln warf Dagul die aktuelle CNN in die Ecke. Er hatte nun jeden Artikel bereits mehrmals gelesen. "Wird Zeit für die nächste Ausgabe", dachte er sich. Ein Lächeln verzog seine Miene, als er an Alina denken musste und die Tatsache, dass sie ebenso viel Spass am Anfertigen von Klamotten hatte. Wäre wirklich mal schön, einen Modekatalog für Männer herauszubringen.

Grübelnd stapfte der junge Mann durch die Wohnung. Im Schlafzimmer räumte er die Spuren von gestern Abend beiseite. Ein Teller mit Pizzaresten und eine grosse Flasche Wasser. Zurück in der Küche drehte er gedankenverloren das Radio an. Es versprach wirklich ein schöner Tag zu werden. Er wollte ihn nutzen, wusste nur noch nicht genau wie.

Das Radio spielte ein paar populäre Hits der letzten Jahre, und Dagul summte gutgelaunt mit. Dann verstummte die Musik, und ein gutgelaunter Moderator wendete sich an die Einwohner Rubi-Kas. "Guten Morgen, Rubi-Ka! Hallo ihr Kämpferinnen und Krieger, ihr Ärzte und Schreibtischstuten. Sieht ganz so aus, als würde uns ein besonders schöner Tag bevorstehen. Der Frühling scheint nun doch angek#+*". Es krachte kurz in der Leitung, dann wurde der Empfang wieder besser. "...wimmen gehen, aber ich werde mich trotzdem weiter um euer Wohl und eure gute L*+#§$".

Dagul stand langsam auf und wollte gerade versuchen, den Sender richtig einzustellen. Das war noch nie passiert. Gerade bei diesem wolkenlosen Himmer sollte der Empfang doch eigentlich ideal sein ...

In just dem Augenblick, als seine Hand das Radio berührte meldete sich der Sprecher wieder.

"Die Dunkelheit zieht wieder auf.
 Dort wo die beiden Sonnen stehen,
 legt sich schon jetzt ein Schatten über sie."
 
Dagul stutzte. Was ...

"Bereite dich vor, mein Sohn,
 aber beeile dich."
 
Das war nicht die Stimme des Radiosprechers. Dagul kannte die tiefe Stimme, und eine Gänsehaut überzog seinen ganzen Körper.
 
"Stelle dich deinem Schicksal
 und begegne der Dunkelheit ohne Furcht.
 
 Dein Weg mag dich tief in den Wahnsinn führen.
 Sei vorbereitet."
 
Plötzlich plärrte das Radio wieder los. "Notum Love" von den Backyard Boys, doch Dagul stand wie festgefroren am Gerät und nahm das Lied kaum wahr.

Diese Stimme hatte er seit langer Zeit nicht mehr gehört. Etwas Schreckliches musste passiert sein - oder sich anbahnen. Mit glasigen Augen ging er langsam hinunter in sein Schlafzimmer und räumte einige Sachen zusammen. "Dort wo die beiden Sonnen stehen". Er bekam die Zeilen nicht mehr aus dem Sinn, die Stimme vibrierte in seinen Gehörgängen nach. Ohne noch etwas von seiner Umwelt wahrzunehmen legte er seine Rüstung an. Er überprüfte die Verschlüsse sorgfältig. Als alles zu seiner Zufriedenheit saß verließ er die Wohnung. Armteile und Helm hatte er sorgsam, fest, aber schnell erreichbar an den Aussenseiten seines Rucksacks festgeschnallt. Ohne einen Blick zurück zu werfen schaute er zu den Zwillingssonnen Rubi-Ka's auf. Dass diese bereits warm auf seine tätowierten Oberarme schienen änderte nichts an der Tatsache, dass die Haare auf seinem Körper sich immernoch aufstellten. Er sammelte sich kurz, dann aktivierte er seine Quantenflügel. Normalerweise liebte er diesen Moment, dieses Gefühl, der Schwerkraft zu entkommen, ohne in eine zu klein geratene Blechdose gequetscht zu sein. Heute jedoch war er in Gedanken gleichzeitig in der Vergangenheit und in der Zukunft, aber nicht wirklich in der Gegenwart. Ruckartig drehte er sich nach oben und schwebte den glühenden Bällen am Himmel entgegen...

Overhaul:
Einige Stunden zuvor wickelte sich eine blasse Gestalt an der Grenzbrücke nach Jobe in einen schwarzen Umhang und verhüllte die mit mystischen Tätowierungen überzogene, graublaue Haut. Mit katzenhafter Anmut nutzte die androgyne Figur die langsam weichende Dunkelheit, um die fliegende Stadt zu erreichen, ohne dabei gesehen zu werden.

Tagelang hatte sie nun beinahe jeden Schritt des Metaphysikers beobachtet. Bald würde es soweit sein.  Ein kurzer Blick - kein Mensch in Sichtweite. Mit einem kräftigen Satz und zwei, drei blitzschnellen Schritten erreichte die Gestalt ein Sims, das sich einige Meter über dem Boden befand und liess sich dort von den Schatten verschlucken.

Nicht mehr lange, dann würde sie bereit sein. Nicht das Nehmen von Leben bereitete ihr Kopfzerbrechen. Das war Teil des täglichen Spieles der Natur. Ihre eigene Verwundbarkeit brachte sie dazu, ein kurzes, gequältes Fauchen auszustossen. Nicht mehr lange, und sie wäre wieder frei ...

Overhaul:
Das Szenario war unwirklich, so unwirklich wie vieles in den vergangenen Tagen und Wochen. Die Umgebung war in grünes Licht getaucht, welches beinahe greifbar wirkte. Die wenigen Geräusche waren seltsam gedämpft, eine unnatürliche Ruhe herrschte. Immer wieder bahnte sich Sonnenlicht einen Weg durch die dichte Decke aus Laub. Schlanke Strahlen gleissenden Lichts, die beinahe greifbarer wirkten als die in den Schatten verschwimmende Laubdecke brachten den herumwirbelnden Blütenstaub scheinbar zum Glühen. Fast fühlte man sich wie unter Wasser.

Dagul sass im Moos auf dem Boden einer kleinen Waldwiese. Er hatte die gedämpfte, beruhigende Atmosphäre genossen. Der starre Blick in seinen Augen hätte einem aufmerksamen Beobachter jedoch zu dem Schluss kommen lassen, dass der Metaphysiker in Gedanken sehr weit weg war. Vor seinem geistigen Auge liess er die letzte Zeit Revue passieren.

Die erste Zeit nach dem Aufbruch war er sehr nervös gewesen. Er war auf die Suche geschickt worden, ohne zu wissen wonach oder wo er suchen sollte. Trotzdem hatte er sich felsengest vorgenommen, seinen Vater nicht zu enttäuschen. Dabei war es nicht die Autorität in der Stimme, die er aus dem Radio vernommen hatte. Vielmehr wusste Dagul, dass die Ereignisse, die ihm angekündigt worden waren nicht aufzuhalten sein würden. Selbst wenn er glaubte, dass sich die Dinge zum Guten wenden würden, nicht einmal sicher war ob er diese Reise überleben würde, wusste er doch, dass er sich der Zukunft stellen musste, um mit der Vergangenheit aufzuräumen.

Seine Quantenflügel hatten ihn hoch über Rubi-Ka viele Kilometer weit von seiner neuen Heimat fortgebracht. Anfangs war er nach Osten geflogen, den Doppelsonnen des Planeten entgegen. Die Stille in der dünnen Höhenluft trug langsam dazu bei, dass er sich sammelte und der erste Schock verklang. Nun begann er, über die Ereignisse nachzudenken. Sein Vater hatte sich erneut gemeldet, wie er es damals vage angekündigt hatte. Dagul wurde klar, dass er sich nur auf sein Gefühl, seine Intuition verlassen konnte.

Am Abend des ersten Tages suchte er sich eine windgeschützte, flache Höhle. Er erlegte ein kleines Tier und grillte es über einem hastig entzündeten Feuer, wobei er darauf achtete, nur völlig ausgetrocknete Äste in die Flammen zu werfen, um nicht durch Rauchentwicklung auf sich aufmerksam zu machen. Dann löschte er das Feuer hastig. Eine der beiden Sonnen hatte sich bereits fast vollständig unter den Horizont verkrochen, die andere schien noch ein wenig länger aushalten zu wollen, aber die langen Schatten und das rötlich-gelbe Licht liessen keinen Zweifel daran, dass die Dunkelheit in wenigen Minuten den Tag vertrieben haben würde.

Keine halbe Stunde später lag Dagul, einen Arm unter dem Kopf, in der Dunkelheit auf dem weichen Laub und blinzelte in den sternenklaren Himmel. Irgendwo dort draussen, vermutete er, befand sich eine Hölle, an die er nie wieder erinnert werden wollte und die er trotzdem nicht mehr aus seinen Gedanken brachte. Und dort befand sich der Mann, der ihn gerettet hatte. Nicht nur er, auch Overhaul verdankte diesem Mann ihr Leben. Für diese beiden und für sein eigenes Seelenheil würde er nicht ruhen, bevor er gefunden hatte wonach er suchte. Oder aber - dieser Gedanke schoss ihm plötzlich durch den Kopf - es ihn.

Overhaul:
Sie hatte seinen überstürzten Aufbruch mit grosser Überraschung wahrgenommen. Und er hatte nicht den Eindruck gemacht, zu einem kurzen Trip aufzubrechen - er wirkte gerüstet für eine längere Reise, und in seinem Gesicht spiegelte sie eine Ernsthaftigkeit, die sie noch nie bei dem Metaphysiker gesehen hatte. Immerhin hatte ihr Jagdinstinkt sie wieder einmal nicht im Stich gelassen. Natürlich hätte sie ihn wiedergefunden - die Stadtmenschen hinterliessen Spuren, die für sie so deutlich sichtbar waren wie die berühmten antarianischen Kornkreiszeichen für einen Shuttlepiloten. Dennoch wäre es ärgerlich gewesen, denn es ging ihr nicht nur darum, seiner Fährte zu folgen. Sie wusste, dass man für eine erfolgreiche Jagd das Verhalten seines Opfers studieren musste. Und dazu würde sie nun ausreichend Gelegenheit haben ...

Am Abend des ersten Tages beobachtete sie, wie er sich ein Lager suchte. Mit raubtierhafter Geschmeidigkeit pirschte sie sich so nahe an ihn heran, wie sie es für sicher hielt. Dann schwang sie sich in den Ästen eines alten, verknöcherten Baumes in eine schwindelerregende Höhe.

Überrascht stellte sie fest, dass er sich verblüffend umsichtig verhielt. Der Platz, stellte sie fest, war sehr gut als Lager geeignet - eine kleine kuhlenhafte, baumbewachsene Vertiefung auf der Spitze eines Hügels. Vom Rand der Vertiefung aus hatte konnte er mehrere Kilometer in jede Richtung schauen, trotzdem war er vor den Blicken anderer geschützt. Ausserdem verbarg der niedrige Erdwall zumindest im Dämmerlich das Flackern des Feuers, und er schien es nur so lange brennen zu lassen, wie er brauchte, um sich etwas zu Essen zuzubereiten. Ihre feinen Geruchssinne nahmen sehr schwach den einladenden Geruch von Fleisch wahr. Ihre Beobachtungen und die Erkenntnis, dass der Mann sich geschickter in der Wildnis bewegte als sie erwartet hatte verboten es ihr, selber frisches Fleisch zuzubreiten. Hungrig gewordern zog sie einen Beutel von ihrem Gürtel und kaute auf einigen getrockneten Fleischstreifen herum. Bald, sehr bald, würde sie es sich wieder erlauben können, ihren Hunger an frischer Beute zu stillen. Mit dem Rücken am Baumstamm schloss sie die Augen, ohne dass die Anspannung aus ihrem Körper wich. Sie schlief nicht wirklich, sie ruhte. Der Mann würde die Senke nicht unbemerkt verlassen können.

Overhaul:
Eine Zeitlang hatte Dagul sich gefragt, ob seine Reise nicht vielleicht sinnlos sei. Hatte er sich die Stimme nur eingebildet? Nun, nachdem mehr als zwei Wochen seit seinem Aufbruch vergangen waren schien ihm alles so weit weg.

Eines Abends lag er wieder einmal in einer Höhle und hing seinen Gedanken nach. War es vielleicht genau dieses Nachdenken, sein selbst gewähltes Exil, welches nicht den Weg, sondern das Ziel seiner Reise darstellte? Er musste an das hektische Treiben in Athen denken, die langen Tage und häufig noch längeren Nächte, die ihm zwar viele Freunde beschert hatten, jedoch kaum Zeit zum Nachdenken übrig liessen. In diesem Moment entschied er, die Frage nach Sinn und Unsinn seiner Unternehmung zumindest vorläufig nicht mehr zu stellen. Vielmehr genoss er die Ruhe und Abgeschiedenheit. Nur Over bereitete im einige Kopfschmerzen. Sie würde sich vermutlich Sorgen machen. Aber er konnte ihr keine Nachricht zukommen lassen - sie würde versuchen ihn zu finden, sie würde sich seinetwegen in Gefahr bringen. Und das durfte er nicht zulassen. Andererseits würde sie ohne ihn viel besser ihre eigene Freunde finden, ihren eigenen Weg machen. Mit einem Lächeln im Gesicht schlief er langsam ein.

Mittend in der Nacht wachte er von einem lauten Krachen auf. Wenige Meter von ihm entfernt war die Grasnabe verkohlt und schwelte etwas vor sich hin. Rubi-Ka wurde wieder mal von einem der starken Ionenstürme heimgesucht. Seinen Mantel enger um sich wickelnd zog er sich etwas tiefer in die Höhle zurück und schaute in die Dunkelheit, die nun immer wieder von Blitzen zerrissen wurde, gefolgt vom tiefen Grollen der Donnerschläge.

Am nächsten Morgen hatte das Fauchen des Sturms an Intensität zugenommen, sodass er sich entschied, seinen Unterschlupf nicht zu verlassen. Eine getötete Rollerratte lag neben ihm. In der relativ kurzen Zeit, die er sich auf 'Ka befand hatte er das Schöne - und das Gute - mehr als nur achten gelernt. Er hatte sich sogar als Hobbykoch versucht. Trotzdem, auch wenn es nur die zähen, faserigen Überreste einer Ratte waren, er war froh darüber, frisches Fleisch zu Essen zu haben. Er hatte seinen Hunger schon mit Schlimmerem stillen müssen.

Die nächste Nacht verlief ereignislos, und am Morgen durchbrachen tastenden Strahlen die Dunkelheit, als sich die erste Sonne über den Horizont hievte. Dagul blickte aus der Höhle und sah dampfende Feuchtigkeit aus dem Boden aufsteigen. Der Regen hatte aufgehört, der Sturm war weitergezogen.

Gutgelaunt kletterte der Metaphysiker aus dem Loch im narbigen Boden. Das Gras unter seinen Füssen machte bei jedem seiner Schritte schmatzende Geräusche, die Luft roch angenehm kräftig und frisch. Er entschied sich dafür, eine Weile zu gehen und genoss die Natur um ihn herum, ihren Geruch, ihre Geräusche und das weiche Federn des Bodens unter den Stiefeln seiner schweren Rüstung.

Langsam bahnten sich die beiden Sterne über 'Ka ihren Weg nach oben, und lange bevor sie den Zenith erreicht hatten wurde es wärmer und wärmer. Da Dagul mittlerweile den dichten Wald wieder hinter sich gelassen hatte und nur noch vereinzelte Bäume kühlen Schatten spendeten, legte er Ärmel und Brustpanzer ab, klammerte diese an seinen Rucksack und marschierte weiter.

Es waren bereits einige Stunden vergangen. Dagul lief eine lange, aber sehr schwache Steigung empor. Dann hatte er ohne es zu bemerken den Scheitelpunkt erreicht. Das Terrain auf der anderen Seite verlief deutlich steiler, aber dafür nur relativ kurz nach unten. Er atmete tief durch. Der Anblick, der sich ihm bot war wunderschön. Saftige, grüne Wiesen, kräftige Bäume. Überall dazwischen grasten kleinere Tiere und schienen sich noch etwas zu fressen für den Abend sammeln zu wollen, der nun bald anbrechen würde. Er musste unweigerlich an die russgeschwärzten, speckigen und mit unzähligen Flecken übersähten Wände des "Ghettos" denken. Den ewige Regen. Die ewige Nacht. Den nicht endenden Gestank. Einen Himmel hatte er dort nie gesehen, über dem Ghetto herrschte stets schwärzeste Nacht, die von den vielen Feuern, die dort entzündet waren nicht erhellt werden konnte. Dort hatte er gelernt, das Alleinsein zu schätzen - denn nur wenn man allein ist, kann man sicher sein, dass einem niemand in den Rücken fällt.

Mit einer hastigen Bewegung wischte er die düsteren Gedanken beiseite und blickte mit feuchten Augen und einem glücklichen Lächeln auf die zwar nicht ungefährliche, aber dennoch unverhältnismässig freundlichere Welt zu seinen Füssen. Dann zog ein breites Grinsen über sein Gesicht, ein leises Lachen gluckste durch seine Kehle nach oben und er ging in die Knie. Einer plötzlichen Idee folgend rollte er vornüber und kugelte, lachend und Purzelbäume schlagend auf den Fuss der Anhöhe zu.

Unten angekommen blieb er mit gespreizten Beinen lachend im immernoch feuchten Gras liegen. Sein blosser Oberkörper war nass und angenehm kühl, und Dagul fühlte sich hervorragend.

Plötzlich hörte er ein Rascheln hinter sich. Noch ehe er sich aufrichten konnte spürte er einen stumpfen Schmerz im Nacken und rollte herum, während er gleichzeitig nach seinem Dolch griff. Er wusste, dass die Waffe lächerlich war, aber möglicherweise würde sie ihm etwas Zeit verschaffen. Der Blubbag, der ihn angegriffen hatte schnaubte und bewegte sich plump und wackelnd auf Dagul zu. Dieser holte im Liegen aus und traf das vordere Bein des Tieres, welches kurz zurückzuckte. Dagul sprang behende auf die Beine und versuchte, das Nanoprogramm, welches seinen treuen Freund Pinhead manifestieren würde auszuführen. Doch eine Sekunde später rammte der ungelenke, aber schwere Blubbag in mit enormer Kraft in die Seite. Dagul wurde herumgerissen und landete erneut im nassen Gras. Dann war das Tier über ihm. Er spürte einen herben Stoss an der Schulter und das Reissen von Haut. Warmes Blut rann über seinen Rücken. "Verflixt" keuchte er und versuchte sich unter der bulligen Kreatur herauszurollen. Obwohl er sich der Gefahr bewusst war, in dieser denkbar ungünstigen Position dem Tier sein ungeschütztes Gesicht zuzuwenden, kugelte er sich herum. Er war schnell genug - oder hatte einfach nur Glück. Der Blubbag schien sein Opfer skeptisch zu mustern. Diesen Augenblick nutzte der junge Mann und rammte sein kleines Messer in die weiche Brust der kräftigen Kreatur. Er war sich im Klaren, dass eine solche Verletzung keinerlei Gefahr für den Angreifer darstellte. Das Tier grunzte trotzdem kurz auf - und Dagul stemmte sich blitzschnell auf seine Handballen und schob sich unter ihm hervor. Im Gegensatz zu vorhin war er nun konzentriert und reagierte schneller und genauer. Er sprang auf und machte einige Schritte rückwärts. Dann wirbelte er herum und lief los. Hinter sich hörte er wütendes Schnaufen.

Er hatte keineswegs vor, davonzulaufen. Das hatte er oft genug tun müssen - bei seiner Ankunft hatte er sich vorgenommen, dies nicht wieder zu tun. Er ging davon aus, dass sein Gegner nicht zu den intelligentesten Kreaturen Rubi-Kas gehörte und lief mit grossen Schritten sehr knapp an einem Baum vorbei. Kaum hatte er dessen Stamm passiert, brach er nach rechts aus. Wie ein hitzesuchendes Torpedo änderte auch das bullige, cyanfarbene Tier seine Route. Dann hörte Dagul ein dumpfes Krachen, als der Blubbag wie erhofft mit enormer Wucht gegen den Baumstamm prallte. Der Metaphysiker nutzte diesen Augenblick, um nun endlich Pinhead zur Unterstützung herbeizurufen. Der Himmel über ihm kam plötzlich in Wallung, einen Augenblick lang sah es aus, als würde sich nur über seinem Kopf ein Gewitter zusammenziehen. Dann ballten sich die dunklen Wolken zusammen, und den Bruchteil eines Augenblicks später stürzte die dunkle, zerklüftete Gestalt von Pinhead herab. Dagul drehte sich gelassen um. Dann hörte er zuerst ein Zischen, dann ein leises Quieken hinter sich, welches sich, gemischt mit Grunzgeräuschen, in einen tiefen, langanhaltenden und beinahe ohrenbetäubenden Schrei verwandelte. Dann wurde es still.

"Danke, Freund Pinhead", sagte er zwinkernd und setzte sich auf einen kleinen Felsen. Plötzlich begann sein Oberkörper zu erzittern, erst schwach, dann immer stärker. Ein Grinsen verzog sein Gesicht, und er begann zu lachen.

Als er aufgehört hatte, über seine eigene Unvorsichtigkeit zu lachen tastete er mit einer Hand nach der Verletzung an seiner Schulter. Nichts weiter als eine Platzwunde, kein Grund, Morphius zu bemühen. Mit wenigen Handgriffen und der Hilfe von Nanotechnologie verschloss er grinsend die offene Haut.

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